Wir fragen an der letzten Tanke nochmals nach der Pistenqualität nach Tupiza. "No se", "Weiss nicht" ,die übliche Antwort....ob er jemals so eine "grosse" Reise aus seiner Stadt heraus gemacht hat ?
Die "Grenze" ist wiedermal "messerscharf" ...hier Asphalt....Stadtgrenze Piste. Und es geht schon gut los. Waschbrett, knüppelhart ! Also für die "Nicht Pistenfahrer" ....der Untergrund aus Sand, Lehm und Steinen hat einen Wellenform gebildet. Daggi versucht eine passende Geschwindigkeit zu finden. Meist so bei 60 km/h fährt der Hilux nicht mehr die "Täler" der Wellen aus, sondern "fliegt" sozusagen von Kamm zu Kamm, was die Fahrt, das Gerappele und die Schläge deutlich mindert...heute und hier aber "Fehlanzeige". Zu tief sind die Furchen, die Abstände der Wellen zu unregelmässig. Und rechts schauen wir auf eine schon teilweise fertige nagelneue Strasse....schön mit Sandhäufen und Felsbrocken immer wieder "zugeschüttet"..... damit man fertige Abschnitte ja nicht schon nutzen kann !
Ok. Wir schütteln und rütteln uns vorwärts. Immer wieder fährt Daggi runter von der Piste, rechts oder links, auf teilweise sehr weichem Sand. Willkommene, kurze Pausen im Dauergeschüttel. 210km ....können verdammt lang sein ! Die Piste führt durch einsames Gebiet einer Hochebene. Links und Rechts tauchen immer wieder "Mineros", Minen auf, mitten im nowhere...teilweise verlassen, den rostigen Maschinenpark zurücklassend, teilweise noch belebt. Die Piste wird immer schlechter. Sandverwehungen, Pistenstücke die komplett durch Erosion verschwunden sind, wieder übelstes Waschbrett. Ihr erinnert euch? Wir befinden uns immer noch auf ca. 3700m Höhe....!
Der kleine Hiluxmotor keucht, Daggi kämpft, ich fluche vor mich hin, leide mit dem Auto. Wenn ich nach hinten schaue.....sehe ich wie die Kabine in alle Richtungen "arbeitet" und sich verwindet. Jeder Kilometer ist ein Kampf. Wir erreichen eine "Noname Siedlung"....Minero-Dorf, es wird an Autos gebastelt, komisch, Landcruiser mit "ausländischen Nummern"....! Wir finden den Pistenausgang nicht. Die Piste endet an einem ca. 100m breiten Flussbett, welches mit Wasser, Schlamm, Schrott und Müll gefüllt ist. Ah, eine Brücke ! Wir fahren drüber, die sinnlose Brücke endet vor einem schroff aufragenden Berg! Zurück....wir fragen eine Local im Dorf... "Ja, ja...die Piste geht im Fluss weiter " Mahlzeit ! Das Dorf gefällt uns nicht, Daggi fährt schnell weiter, und dann vorsichtig in das Flussbett rein....Ah, ja, da quert ein Local....wir schauen uns das an....nutzen die gleiche Stelle um durch Wasser und Schlamm zu fahren...fahren im Flussbett weiter, bis wir endlich "drüben" die Ausfahrt und die Piste entdecken. Es wird weitergerumpelt und geschüttelt. Und dann: Asphalt ! Totenstille im Hilux, wir erreichen 80km/h ! Hey, wir freuen uns, da es auch langsam dunkel wird, und wir noch 90 km vor uns haben. Leider ist nach wenigen Kilometern die Freude vorbei. Ende---wieder raus auf die Piste. Diese schraubt sich jetzt auch wieder in die Höhe....bis 4800m hoch, wird eng und steil. In das Gerüttele mischt sich ein metallisches "Klong, klong" ...Stop, Handlampen raus, wieder die vorderen Stossdämpfer Gummis der Koni Dämpfer komplett zerstört. Jedes Material, auch gute Qualität, hat sein Limit.
Wir brauchen inzwischen nur 10min. für den Tausch. Geräusch weg....die Kolbenstangen der Dämpfer haben wieder Führung. Gut ! Inzwischen ist es stockfinster. Kein Platz zum Übernachten auf der engen Piste findbar. Wir kämpfen uns weiter vorwärts, 20km vor Tupiza kommen uns die ersten Autos wieder entgegen...."klong, klong" .....das nächste Paar Gummis gibt auf.......wechseln, und dann stehen wir vor einem "Roadblock".....ein gespanntes Seil über der Piste...beinahe übersehen ! Ich steige aus, gehe in die Hütte am Seilende....eine groteske Szene erwartet mich. Im quasi leeren Raum steht ein Stockbett, darin schläft eine alte Frau. Am zweiten "Möbelstück" eine junge Frau mit Kerze auf dem Tisch....eine "Uniform" der Bolivianischen Strassenbehörde an...Und kassiert umgerecht 3 Euro "Strassennutzungsgebühr" für diese übelste Piste von Uyuni nach Tupiza....Mir platzt der Kragen, ich fluche einfach auf Deutsch los, zahle zähneknirschend....Sie lässt das Seil runter....und 30min später sind wir in Tupiza, es ist kurz vor Mitternacht, es gibt kein Campspot, das erste Hostel ist unter aller "Sau"....Das zweite sieht besser aus, kein Licht. Wir rufen, tatsächlich macht jemand auf, wir können den Lux in den abgesperrten Hinterhof quetschen, bekommen einen Zimmerschlüssel. Die Bude ist sauber, das Bad ok. Ende und aus.Wir fallen ins Bett. Hey, Hostal "Butch Cassidy", danke fürs Öffnen !!! Hey, danke Daggi...der Hilux ist nur "leicht verwundet"
Drei "nennenswerte" Geschehnisse prägen den nächsten Morgen.
1. Es gibt ein Frühstück !! Und zwar super ! Frische Brötchen und alles was dazugehört !
2. Daggi trifft im Hinterhof beim Hilux, den deutschen Motorradfahrer Stefan , alleine mit einer XT 660 unterwegs...am Ende seiner Kraft. Überall sei er schon gewesen, aber hier, Bolivien, das sprengt seine Kraft, Energie und alles was er hat. Daggi bestätigt ihm, das es auch uns so geht...was ihn etwas aufbaut....! Schaut mal ins Gästebuch, was er da geschrieben hat....nach solch harten Tagen liegen die Nerven blank !
3. Tja, unser Versuch, Geld aus einem Automat in Tupiza zu ziehen, quittiert der Automat NACH der Eingabe der Pin und, nach dem "mechanischem" Geräusch der Geldausgabe (ohne Scheine zu "spucken") mit einem Windows Bluescreen und einem "Dos prompt"......ja, Leute, hier steht noch die erste Generation von ATM....von der seligen "Siemens-Nixdorf".
In die Bank, Nümmerchen ziehen, warten, nein wir brauchen keinen Microkredit für einen gebrauchten Autoreifen zu 20% Zins (Realität lt. Bankaushang), sondern die nichtausgespuckte Kohle ! Eine Stunde später ist dies geregelt.
Das Geld ist in Diesel und Nahrung angelegt, und es geht auf die "Marathonetappe"
Von Tupiza Quer durchs Land, Richtung Westen, um dort dann auf die "berühmte" Lagunenroute zu treffen, dieser dann bis zur Grenze nach Chile folgen !
Dann die "Schussfahrt" nach San Pedro de Atacama, von 4700m auf 2300m Höhe innerhalb 40km Strecke.
Etwa 460km insgesamt, für die wir 105 Liter Diesel kalkuliert und mit uns führen ! Sollte reichen...!
Raus aus Tupiza, rauf auf die Piste ! Nach wenigen Kilometern sind wir alleine ! Hmm, laut Navigation eine "Hauptpiste". Weit gefehlt. Zuerst durchläuft die Rüttelpiste etliche Hochplateaus mit weiten Ausblicken. Nach einem Pistenabzweig fahren wir weiter auf schmalsten Wegen, mal tiefer Sand, mal Waschbrett. Die Piste durchläuft Täler mit links und rechts gigantischen Felsformationen, die an alle möglichen Figuren errinnern. Wir durchqueren unzählige Flussbetten, die Navigation ist schwierig.Wir müssen erkennen, das auf manchen Abschnitten schon lange kein Fahrzeug mehr fuhr. Immer wieder gibt es Pistenabbrüche, die Daggi langsam umfahren muss. Und es geht immer steil : entweder nach oben....oder nach unten.Daggi fährt jetzt fast permanent in der "Geländeuntersetzung"... Die engen Pisten gehen bis auf 5000m hoch, so steil, das ein Fahren im "normalen" ersten Gang undenkbar ist ! Dem Hilux geht auf dieser Höhe und unter dieser Last die Puste aus... ! Wir können der Spritnadel beim Absinken zugucken..der Diesel kommt unverbrannt am Auspuff raus !Dann wieder: Klong, Klong....der nächste Gummisatz für die Dämpfer ist fällig.....Daggi bemerkt vorher eine Geruch von verbranntem Gummi. Und tatsächlich : Die Stoßdämpfer werden dermassen heiss, das die Befestigungsgummis am Ende der Kolbenstange schmelzen ! Das ist die Ursache für das Problem, was uns schon länger verfolgt ! Ok...Wir bauen die Stossdämpfer komplett aus, und stellen sie "Weicher" ein, in der Hoffnung, das das Dämpferöl dann nicht so heiss wird.
Eine Stunde später geht es weiter. Nach 10min Stopp und Temperaturcheck...besser aber immer noch zu heiss! Letzes Mittel, was Abhilfe bringt: alle 20 min halten wir, und ich übergiesse die Dämpfer mit kaltem Wasser....unglaublich, aber wahr ! Ab jetzt halten die Gummis DEUTLICH länger !
Die Hochanden ! Ich beginne sie zu "hassen". Steil rauf....steil runter...wir kommen wirklich nur langsam vorwärts. Uns ist klar, wenn wir hier liegen bleiben, sind wir in ernsthaften Schwierigkeiten, es gibt keine Fahrzeuge hier !
Dann unterläuft mir noch zu allem Elend einen Navigationsfehler....falsche Pistenspur gewählt....wir verlieren für 30km wertvollen Diesel. Der aktuelle Verbrauch nähert sich der 20 Liter Grenze...
Es wird dunkel. Keine Chanche auf Weiterfahrt. Wir suchen etwas Windschutz hinter drei verfallenen Hütten. Wir sind auf 4600m Höhe , es wird bitterkalt. Schon im noch warmen Zustand hat der Hilux Probleme anzulaufen, die Luft ist einfach zu dünn. Wir beschliessen, alle zwei Stunden Nachts aufzustehen und den Motor im Stand warmlaufen zu lassen. Zwei Stunden reicht für die Restwärme zum nächsten Starten. Gesagt getan. Und: es funktioniert !
Auch beim zweite Turn in der Nacht springt er an !
Leider verschlafen wir den letzten Turn......!
Am Morgen dann beim Startversuch: Es schnattert nur noch das Starterrelais....die Starterbatterie ist platt, hat ihren Geist ausgehaucht !
Wir bauen die Kabinenbatterie aus und geben uns selbst Starthilfe....! Ok...nach mehreren Versuchen tuckert der Lux mit "Herzrhytmusstörungen"...aber er läuft ! Nach einem kurzen Freudentanz liegen wir uns in den Armen ! ....wir werden nicht "sterben"!
Von den 460km haben wir an Tag 1 etwa 120 geschafft..und leider viel mehr Diesel verbraucht, wie kalkuliert !
Als Belohnung kreisen über uns mehrer riesige Andencondore.Die grössten Vögel der Welt....aber es sind halt Tiere aus der Gattung der Geier.....ey, diesmal habt ihr Pech gehabt
Der neue Pistentag geht so weiter wie der Alte aufgehört hat: Rauf....Runter...immer so von knapp 5000m wieder auf 4200m....und dann wieder hoch ! Es ist zum schreien ! Anden--seit Kolumbien verfolgt uns dieser unglaubliche Bergrücken...
Auf einem besonders schlechten Pistenstück, so übel, das dies eigentlich kein Fahrzeug überleben kann, das Geräuschszenario wechselt zwischen Blattfederquietschen, Dämpfer die auf den Endanschlag knallen, eine Ladefläche mit Kabine, die auf und ab hüpft..., und immer wieder unbekanntem rumpeln, schlagen, vibrieren, schreie ich "Halt". Daggi stoppt....und ich brülle meinen Frust in die einsame Landschaft ! "Diesmal kommen wir nicht durch, noch 200 Kilometer, warum zerstören wir hier unser Auto ?" Ihr Nerven sind besser wie meine, Sie gibt "positives" ab, wir kämpfen weiter, was sollen wir auch sonst tun. Bei Pausen müssen wir inzwischen den Hilux immer mit der Zweitbatterie starten, die steht bei mir im Fussraum, hoffentlich hält die durch !
Wir fahren teilweise durch surreale Landschaften. Salzseen wechseln sich mit Hochwüsten ab, Kaum noch Grün. Viele Vicunas (kleines Lama) und Lamas, das Einzige was hier überlebt.
Wir erreichen eine kleine Ansiedlung von Indios. Ja, es gibt hier einen, der hat ein Fass Diesel. Mir wäre wohler wenn wir nochmals zwanzig Liter "nachzuschieben" könnten. Und tatsächlich, in einem Bretterverschlag gibt es ein Fass mit Handpumpe. Diese "Angst" konnte ich jetzt abhaken. Diesel sollte jetzt definitiv reichen. Wir verlassen die Ansiedlung, finden einen windgeschützten Nachtplatz zwischen Felsen. Wir bauen hier die Zweitbatterie fest als Starterbatterie ein, können wieder "normal" starten. Klar, in der Kabine gibt es jetzt keinen Strom mehr....also auch keine Heizung !
Wir sind kurz vor dem Nationalpark Eduardo Avaro, dem Lagunengebiet. Nach einer ruhigen Nacht kehren die Lebensgeister zurück. Anekdote am Rande: die 20 Liter Diesel vom Fass wirken bei Hilux ähnlich Red Bull....spürbar besserer Motorlauf und Leistung....wir vermuten ein seit Jahren übriggebliebenes Fass von der Rally Dakar...! Die Locals fahren wegen der Höhe meist Benziner, haben für Diesel hier wenig Verwendung.
Wir erreichen die "Laguna Colorado"und sind von ihrem Farbenspiel und den Flamingos die auf dieser Wahnsinnshöhe diese bevölkern, begeistert. Die Piste ??? Tiefsand auf 4800m ! Nach ausgiebigem "Fotoshooting", kurzer Gang an die Lagune (auf der Höhe sind auch ein paar Meter anstrengend), folgen wir der Piste zum Geysirfeld, wo es qualmt und blubbert. Die Felsen und die Bodenoberfläche schimmert in allen möglichrn Farbkombinationen. Wir treffen auf die ersten "Tourjeeps" die diese Spots direkt von Uyuni aus anlaufen.
Bevor wir in Richtung der nächsten Lagunen fahren, müssen wir schon hier unseren Hilux für den Grenzübergang nach Chile "abfertigen". Auf 5033m Höhe.....gibt es tatsächlich eine kleine Zollstation, bei der wir das Importpapier abgeben und eine bestätigte Kopie der ordnungsgemässen "Ausfuhr" vom Zöllner erhalten.....der dort in seinem Zimmerchen wohl keine Gefahr läuft, einen "Stressburn-out" zu erleiden...wir fahren die 10km Seitenpiste wieder zurück, fahren Kilometerweit auf Sandpisten in einer Hochwüste, an den Füssen von schimmernden Vulkanen und Felsbergen entlang. Die vereinzelt wie riesige Findlinge, von der Witterung verstreuten Sandstein und Lavabrocken lassen die weite Landschaft grotesk wirken.
Wir erreichen die nächsten zwei Lagune fahren zwischen der Laguna Verde und der "Blanca" ....Grün und Weiß, hindurch....und stehen dann kurz vor Dunkelheit am quasi letzten Bolivianische Gebäude, einer einfachen Unterkunft mit Küche, betrieben von einer Indiofamilie. Heute nacht werden wir nochmal auf bolivianischem Boden übernachten. Wir parken windgeschützt hinterm Haus, bestellen "zweimal Essen", heisse Suppe, Kartoffeln, Reis....und ein Stück Lama Fleisch...von dem Tier, was hinten am Strick in der Küche hängt.
Das heisse Mahl tut uns gut.Wir sind "gelöst" , guter Dinge. Wir haben es geschafft !
Nach einer frischen Nacht....packen, Hilux warmlaufen lassen (immer noch auf 4700m Höhe),
zur Migration und den Ausreisestempel hohlen. Wir parken kurz am Schlagbaum und blicken zurück auf die karge, aber auch grandiose Landschaft, schweigen. Bolivien....hat alles von uns drei verlangt...wir sind "durchgekommen"....das wird wohl als Nachhall lange im Gedächtniss bleiben. Daggi strahlt, mental deutlich weniger "mitgenommen" als ich, "das war absolut geil und aufregend" ruft sie. Aber...der Asphalt der direkt nach dem Schlagbaum auf uns wartet, lässt sie genauso lachen.
Der Schlagbaum geht auf.....willkommen in einer komplett anderen Welt: Chile !
Da fehlen einem Kommentator die Worte. Per Telefon schon vorab informiert leist sich Eure livestory immer noch spannend? erschütternd? gruselig? auf alle Fälle freuen wir uns mit Euch dass Ihr die Probe(?) geschafft habt. Jetzt wisst Ihr auf alle Fälle Asphalt zu schätzen. ... Habt Ihr eigentlich schon eine Original Anden-Tanne, wie im Vorgarten gesehen? Siegfried
AntwortenLöschenHallo Siggi und Elke....na dann war der Leseabend ja "kurzweilig"😀...
LöschenJa...wir hatten es tatsächlich von eurem Baum...
gibt es hier wirklich viele in jeder Grösse !!!
Was für ein Krimi! In dir, lieber Manni, steckt ja ein echter Reiseschriftsteller! Ich saß beim Lesen praktisch bei euch in der Kabine.
AntwortenLöschenLiebe Grüße aus Waldbronn
Lisa